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Haiti: Ein Land inmitten von Krisen und Chaos

Vor 12 Jahre erschütterte das schwerste Erdbeben in der Geschichte Nord- und Südamerikas Haiti nachhaltig. Seitdem sucht man Ruhe und Stabilität im krisengebeutelten Karibikstaat vergeblich. Kriminelle Banden haben die Kontrolle über die Straßen der Hauptstadt Port-au-Prince übernommen und bedrohen das Leben aller. Elmide Osse Pierre, unsere Mitarbeiterin vor Ort, berichtet von der aktuellen Situation im Land.
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Haiti nach dem Hurrikan Matthew (Foto: Kindernothilfe-Partner)
Haiti nach dem Hurrikan Matthew (Foto: Kindernothilfe-Partner)
Staatliche Strukturen zusammengebrochen


In den letzten fünf Jahren war Haiti Schauplatz verschiedener sozio-politischer und wirtschaftlicher Spannungen. Die ohnehin prekären Lebensbedingungen verschlechterten sich in dieser Zeit. Die Regierung wurde daraufhin zur Zielscheibe der Opposition, die in 2018 und 2019 teilweise sehr gewalttätig vorging und in mehreren Fällen zu einer fast vollständigen Blockade der Regierungsarbeit führte. In 2021 kam es dann zu einem Zusammenbruch der staatlichen Institutionen, die ein letztes Bollwerk der Demokratie darstellten. Das Parlament umfasste nur noch ein Drittel seines Senats. Zahlreiche Stellen im Justizsystem waren nicht besetzt. Behörden der öffentlichen Verwaltung wurden für persönliche Zwecke unterworfen. Als am 7. Juli 2021 der Präsident der Republik in seiner Privatresidenz ermordet wurde, vervollständigte sich das düstere Bild. Entführungsfälle und Konflikte zwischen bewaffneten Banden eskalieren unter den hilflosen Augen einer machtlosen Nationalpolizei. Es herrscht das totale Chaos.


Flucht als einziger Ausweg


Aktuell belegt Haiti den 168. Platz von 180 Ländern mit der höchsten Korruption. Das Land versinkt in bösartiger Gewalt. Banden beherrschen alle Viertel im Stadtgebiet und in den angrenzenden Gebieten, während die Mittelschicht und wirtschaftliche Elite des Landes immer weiter enteignet werden. Migration ist zur einzigen Zuflucht für junge Menschen und ihre Familien geworden. Sie wollen aus einem Land fliehen, in dem sie glauben, dass ihre Träume niemals in Erfüllung gehen werden. Zu den beliebtesten Zielen gehören das amerikanische Eldorado, Kanada, Mexiko, Chile, Brasilien und die Dominikanische Republik.  Daher wird Haiti auch als "failed state" bezeichnet. Die derzeitige Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, ein neues Kabinett zu bilden, die Ordnung in der Stadt wiederherzustellen, die Verfassung zu reformieren und allgemeine Wahlen abzuhalten. Die beiden letztgenannten Ziele wurden bereits vom verstorbenen Präsidenten gesetzt.

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Massive Bandengewalt legt das öffentliche Leben Haitis weitgehend lahm (Foto: Kindernothilfe)
Massive Bandengewalt legt das öffentliche Leben Haitis weitgehend lahm (Foto: Kindernothilfe)
Pandemische Lage verschärft die Situation


Die ersten Covid-19-Fälle tauchten im März 2020 in Haiti auf. Am 24. November 2021 belief sich die Gesamtzahl der Infektionsfälle in Haiti auf 24.950, darunter 719 Todesfälle. Wie in anderen Ländern der Welt wird auch in Haiti die Bevölkerung aufgefordert, sich impfen zu lassen. Jedoch zeigt die Bevölkerung kein großes Interesse daran. Das mag auch an dem vergleichsweise späten Start der Impfkampagne im Juli 2021 liegen. Haiti befindet sich bereits in der vierten Welle von Covid-19 (Beginn 20. September 2021), die zu bereits 3353 Fälle und 109 Todesfälle geführt hat. Bis zum 1. Januar 2022 waren jedoch erst insgesamt 75.028 Personen vollständig geimpft. Also nur 0,7 % der gesamtem Bevölkerung des Karibikstaates.
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Nur wenige Haitianer*innen sind gegen Corona geimpft (Foto: Kindernothilfe)
Nur wenige Haitianer*innen sind gegen Corona geimpft (Foto: Kindernothilfe)
Hunderttausende Kinder haben keinen Zugang zu Bildung


Angesichts der allgemeinen Notlage im Land bleiben viele Grundrechte außen vor. Auch der Bildungssektor ist davon betroffen. Die Zahlen sind alarmierend. Bis 2021 sind mehr als 80 % der Grundschulen nicht staatlich und werden gleichzeitig von mehr als 80 % aller Schüler besucht. Einer Studie aus 2017 zufolge gehen über 320.000 6- bis 14-Jährige nicht zur Schule. Rund 160.000 Kinder im Alter von 15 bis 11 Jahren besuchen keine Schule. Insgesamt sind fast 500.000 Kinder im Alter von 5-18 Jahren vollständig vom haitianischen Schulsystem ausgeschlossen.  Und etwa eine Million Kinder laufen Gefahr, das System zu verlassen, ohne ihre Schulausbildung abzuschließen.In einem solchen Kontext werden bestimmte Rechte völlig ignoriert, da sich die Prioritäten auf andere Bereiche konzentrieren. Der Bildungssektor ist von dieser Regel nicht ausgenommen. Die Zahlen sind alarmierend. Bis 2021 sind mehr als 80 % der Grundschulen nicht staatlich und werden von mehr als 80 % aller Schüler besucht. Einer Studie zufolge, die 2017 im Erhebungszeitraum von 2011 bis 2015 durchgeführt wurde, gehen über 320.000 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren nicht zur Schule, rund 160.000 Kinder im Alter von 15 bis 11 Jahren besuchen keine Schule. Insgesamt sind fast 500.000 Kinder im Alter von 5-18 Jahren vollständig vom haitianischen Schulsystem ausgeschlossen.  Und etwa eine Million Kinder laufen Gefahr, das System zu verlassen, ohne ihre Schulausbildung abzuschließen.

Die Krise ist vielschichtig


Am 14. August 2021 erlebte der krisengebeutelte Karibikstaat ein weiteres tragisches Erdbeben. Mit einer Stärke von 7,2 auf der Richterskala erschütterte es die südlichen Departements Nippes, Sud und Grande'Anse. Das Erdbeben ereignete sich um 8:30 Uhr (Ortszeit) 12 km vor der Stadt Saint-Louis-du-Sud, die etwa 160 km von der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince entfernt liegt. Dieses schreckliche Ereignis forderte mehr al 2200 Todesopfer, zusätzlich zu den über 12.000 Verletzten. Zahlreiche Gebäude, in denen Schulen, Kirchen, Geschäfte und Familien untergebracht waren, stürzten bei dem gewaltigen Beben ein. Hunderte Bewohner waren dadurch unter Betonplatten gefangen.
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Ein Mädchen am Bett seiner verletzten Mutter im Hospital Général in Les Cayes; der Vater wurde bei dem Erdbeben getötet, der Bruder ist ebenfalls schwer verletzt (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Ein Mädchen am Bett seiner verletzten Mutter im Hospital Général in Les Cayes; der Vater wurde bei dem Erdbeben getötet, der Bruder ist ebenfalls schwer verletzt (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
UNICEF schätzt, dass 1,2 Millionen Menschen, darunter 540.000 Kinder, von dem Erdbeben betroffen waren. Viele Kinder müssen auch heute noch mit ihren Familien im Freien übernachten und starke Nachbeben versetzten die Bevölkerung über Monate in Panik. Das Erdbeben hat die Verletzlichkeit dieser Kinder, die oft schon unter extremer Armut, Hunger und Gewalt litten, zusätzlich verstärkt.

Autor: Kindernothilfe
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