Brasilien/São Paulo: Schutz für Kinder aus Bolivien
Der Würfel fällt, und die achtjährige Adryelle springt drei Schritte nach vorne. Sie landet auf einem Fragezeichen. „Nenne ein Kinderrecht“, ruft die ehrenamtliche Helferin. Adryelle nennt gleich zwei: „Schutz vor Gewalt und Schutz vor Rassismus“, ruft sie und hat damit, ohne es zu wissen, die wichtigsten Anliegen des Kinderschutzzentrum Casa de Assistência Filadelfia (CAF) genannt.
Im brasilianischen São Paulo kümmert sich der Kindernothilfepartner CAF gezielt um Kinder aus Bolivien. Da sie illegal im Land sind, haben sie oft deutlich weniger Rechte und Schutz als einheimische Mädchen und Buben.
Während die Eltern arbeiten, sind die Kinder allein zu Hause
In Ermelino Matarazzo, einem Bezirk von São Paulo, wohnen traditionell viele Menschen mit Migrationshintergrund. Früher waren es italienische Einwanderer*innen, heute kommen sie aus ärmeren Ländern Südamerikas in das vergleichsweise wohlhabende Brasilien, wobei die Bolivianer*innen die größte Gruppe ausmachen. Sie sind auf der Suche nach einem besseren Leben, enden aber meist als weitgehend rechtlose Gastarbeiter*innen in den Sweatshops.
„Die Eltern haben hier keine Netzwerke aus Großeltern und Tanten, die die Kinder betreuen, während sie arbeiten. Deshalb lassen sie die Kleinen alleine zu Hause oder nehmen sie mit in die Fabriken“, erzählt CAF-Direktorin Selma Munhóz von der schwierigen Situation dieser Familien. „Wir holen die Kinder dort heraus und sorgen dafür, dass sie tagsüber versorgt werden und in die Schule gehen, sobald sie alt genug dafür sind.“ Das ist für die illegal im Land lebenden Mädchen und Buben alles andere als selbstverständlich, denn ihre Eltern trauen sich oft aus Angst vor Abschiebung nicht, sie an einer Schule anzumelden.
„Als Illegale können sie nicht zur Polizei gehen“
Dass sie hier psychologisch betreut und in Rechtsfragen geschult wird, merkt Adryelle kaum. Für sie ist vor allem etwas anders wichtig: jeden Tag ihre Freundin Jandira zu treffen und spielen und basteln zu können, anstatt alleine daheim zu sein, während ihre Mutter arbeitet.
Von Katharina Nickoleit
Die freie Journalistin berichtet seit vielen Jahren gemeinsam mit ihrem Mann, dem Fotografen Christian Nusch, aus unseren Projekten weltweit.