Treffen lateinamerikanischer Kinderarbeiter*innen zum Thema Klimagerechtigkeit
„Immer reden die Erwachsenen von den nächsten Generationen, die von den Folgen der Klimaerwärmung betroffen sein würden“, sagt die elfjährige Katherine Olmos, „das ist doch Quatsch! Das, was hier schon jetzt abgeht, ist supergefährlich und verändert das Leben von uns Kindern bereits heute. Das können doch alle sehen!“ Dann korrigiert sie sich: „Könnten alle sehen! Tun sie aber nicht. Bei mir in der Schule sagen viele meiner Klassenkameradinnen und -Kameraden, dass ihnen das Thema zu langweilig oder zu schwierig sei.“.
Umso beeindruckender fand Katherine, die eine der Sprecherinnen der Mädchen und Jungen im Kindernothilfe-Partnerprojekt Niñas y Niños Sin Fronteras in Santiago de Chile ist, was sie da drei Tage lang mit 20 anderen Kindern und Jugendlichen aus Argentinien, Peru und Chile in dem kleinen Ort El Quisco an der Pazifikküste südlich von Valparaíso erlebte. Das Leitmotiv, unter das die Teilnehmenden ihr Drei-Länder-Treffen gestellt hatten, formulierten sie selbst: „Wir, die organisierten Kinder und Jugendlichen, sind die Beschützerinnen und Beschützer der Erde, des Wassers, der Luft und des Bodens, auf dem wir leben“.
Im Zeichen der Klima-Extremereignisse
Kinderarbeiter*innen machen sich für den Schutz ihrer Umwelt stark
Alle sieben Organisationen hatten sich wochenlang intensiv auf das Treffen in El Quisco vorbereitet. Es gab workshops und Vollversammlungen mit allen Mädchen und Jungen, die in den Projekten engagiert sind. „Dabei haben wir gespürt, wie wichtig dieses Thema den Kindern ist“, sagt María Elena Vásquez, „wie intensiv sie sich mit Problemen wie dem Müll auf den Straßen und in ihren Vierteln, mit dem Fehlen von Grünflächen, der Smog- und Abgasbelastung, aber auch Lösungsmöglichkeiten wie dem Mitwirken beim Recyclen von wiederverwertbaren Abfällen beschäftigen“. Für die allermeisten der 11- bis 17jährigen Teilnehmenden waren die intensiven drei Tage in El Quisco die erste Erfahrung ihres Lebens, sich mit Gleichaltrigen aus den Nachbarländern persönlich zu treffen, sich zuzuhören, voneinander zu lernen und miteinander zu diskutieren.
Ausbeutung von Mensch und Natur
Was bewegt Kinder und Jugendliche, die zuhause mit ihrer Arbeit jeden Tag einen wichtigen Beitrag dafür leisten müssen, dass ihre Familien es schaffen, irgendwie über die Runden zu kommen oder sie selbst über die Mittel verfügen, um zur Schule gehen und die Unterrichtsmaterialien bezahlen zu können, dazu, sich derart intensiv mit Klimaerwärmung und Umweltzerstörung auseinander zu setzen? María Elena Vásquez hat dafür aus El Quisco eine klare Antwort mitgebracht: „Es war wirklich beeindruckend, bei den Diskussionen mitzuerleben, wie präzise da von den Kindern und Jugendlichen herausgearbeitet wurde, wie eng die Ausbeutung von Menschen, extreme Unterschiede zwischen Arm und Reich und der Raubbau an der Natur mit den Folgen der verheerenden Umweltzerstörungen, die wir in Lateinamerika erleben, miteinander im Zusammenhang stehen!“
Dass das Treffen der Kinder und Jugendlichen in El Quisco in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur 28. Weltklimakonferenz 2023 (COP) vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai stattfinden würde, hatten die sieben Trägerorganisationen so nicht geplant, trotzdem ist es Anthony Izquierdo vom Projekt Niñas y Niños Sin Fronteras ganz wichtig, zu betonen: „Wir haben während dieser drei Tage ebenfalls ganz viel über Biodiversität geredet, über die bedrohte Umwelt und das gerade hier in Südamerika an vielen Orten in Flammen stehende Ökosystem, über unseren brennenden Planeten.“ Deshalb formulierten die 20 Mädchen und Jungen am Ende dann auch ganz klare Forderungen an die drei Regierungen von Argentinien, Chile und Peru sowie die mit dem Thema Klima befassten Internationalen Organisationen: Endlich entschlossenere Schritte gegen den CO₂-Ausstoß zu unternehmen, der zerstörerischen Ausbeutung der Natur, vor allem am Beispiel der dramatisch schnell weniger werdenden Wasserressourcen entgegen zu treten und die Interessen der Familien, die von der Landwirtschaft leben, nicht ständig denen großer Bergbau- und anderer Konzerne zu opfern!
„Aber wir haben auch gelernt,“, fügt Katherine Olmos hinzu: „Wir alle können einen Beitrag leisten, damit es so nicht weitergeht! Zum Beispiel die Sache mit dem Müll hängt ganz stark auch von uns ab.“ Für die zukünftigen Diskussionen in ihrer Schulklasse in Santiago hat die Elfjährige aus El Quisco ganz viele neue Argumente mitgenommen. Und damit dabei der Blick immer auch zu den Kindern und Jugendlichen in den Nachbarländern geht, haben sich die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Treffens ganz professionell über die sozialen Medien vernetzt, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten: „Was die bei COP 28 in Dubai machen, können wir auch“, erklärt Anthony ganz cool.
Von Jürgen Schübelin
Der Sozialwissenschaftler leitete 21 Jahre das Kindernothilfe-Referat Lateinamerika und Karibik. Auch im Ruhestand engagiert er sich weiter für Kinder und ihre Rechte. Dabei ist es ihm wichtig, dass immer wieder Kinder und Jugendliche aus den Projekten selbst ausführlich zu Wort kommen.
Das 3-Ländertreffen in El Quisco war im Vorfeld von den sieben Organisationen aus Argentinien, Chile und Peru gemeinsam vorbereitet worden, wobei die drei Kindernothilfe-Partner IFEJANT (Lima, Peru), Protagoniza (Coronel, Südchile) und Colectivo Sin Fronteras (Santiago, Chile) wesentliche Beiträge lieferten. Spenderinnen und Spender der Kindernothilfe Österreich unterstützen diesen Workshop finanziell.